Ich glaube, es war, als mein Großer etwa 4 Jahre alt war und im Kindergarten von den Älteren schon so einiges aufgeschnappt hatte. Ich hatte ihm gerade eine Aktion verboten, die bestimmt etwas mit Steine werfen oder Bälle irgendwo hinschießen zu tun hatte und er hatte eh schon einen herausfordernden Tag – da hörte ich es zum ersten Mal: „Blöde Mami, du bist echt Sch …!“ und er fing an zu weinen.
Wow, das hatte gesessen! Bisher war ich immer die beste und liebste und schönste Mami gewesen. Im Bruchteil einer Sekunde in der Realität gelandet. Irgendetwas zwischen Wut und Traurigkeit überflutete mich. Jetzt war die schöne Zeit also vorbei. Die Zeit, in der mein Erstgeborener mich vorbehaltlos immer einfach super fand. Wie das bei Babys und Kleinkindern eben noch so ist.
Wie reagiert man am Besten darauf, von seinen Kindern beschimpft zu werden?
Und genauso schnell musste ich mich entscheiden. Gebe ich meiner Enttäuschung nach, dass ich – wie bestimmt viel Mütter – dachte, es würde bei uns anders sein und zurückschimpfen? Oder dafür eine große Strafe verhängen?
Oder aber meine Gefühle zurücknehmen und auf ihn eingehen und sehen, wo er gerade steht. Ein kleiner Junge, der versucht, dass Leben zu meistern, in dem es so viel zu beachten gibt. So viele Regeln, in einer Welt, die gerade wenn man an Kindergarten und Schule denkt, gerade für Jungen nicht optimal ist. Die nun einmal viel Bewegung und Herausforderungen brauchen, um sich zu finden. Und einen sicheren Hafen namens Familie so dringend brauchen, wo sie einfach Fehler machen und sie selbst sein können, ohne dass sie immer perfekt funktionieren müssen.
Das einzig richtige Reaktion in dieser Situation:
Ich habe ihn ganz fest in den Arm genommen und ihn erst mal in Ruhe ausweinen lassen. Ihm ins Ohr geflüstert, dass ich schon immer und für immer liebe, egal wie viel Quatsch er noch machen wird. Dass ich für ihn bin und nicht gegen ihn.
Und das hat den ganzen Unterschied gemacht und das tut es bis heute.
Nach ein paar Minuten, wenn er sich beruhigt hat, frage ich ihn, ob er mir etwas sagen will. Und er sagt immer: Ja. Es tut mir leid, dass ich „blöde Mami“ gesagt habe. Du bist keine blöde Mami. Ich liebe dich.
Und ich gebe es zu: Ich bin nicht perfekt. Ich reagiere zwar oft so, aber ich bin auch schon wütend geworden und habe für mich falsch reagiert und voller Emotionen zurückgeschimpft. Natürlich keine Schimpfwörter, aber so, dass ich gemerkt habe, dass ich aus Wut heraus handle und nicht aus Vernunft. Und ich will alles daran setzen, emotional so in mir zu ruhen, dass ich in solchen Situationen darüber stehen kann. Das ist ein Prozess, es klappt nicht immer, aber immer öfter.
Es liegt an uns unseren Kindern beizubringen, dass Worte – Hand in Hand mit Taten – etwas wert sind. Dass man sie nicht einfach so raushaut, wenn uns oder sie Wut, Eifersucht oder Schmerz treibt. Dass sie zerstören oder aufbauen, verletzen oder heilen können.
Der schönste Lohn von einer guten Beziehung mit den Kindern
Eine total schöne Beobachtung, die ich fast jedes Mal mache, wenn ich meine Kinder ermahne, weil sie Quatsch gemacht haben: In ihrer Wut, Traurigkeit oder Verzweiflung rennen sie fast nie weg von mir – sondern auf mich zu, in meine Arme.
Wütend auf mich, verzweifelt, traurig, verunsichert – aber in meine Arme. In ihren Hafen, ihren sicheren Ort, da wo sie, wissen, dass sie für immer geliebt sind, egal was sie angestellt haben.