Ich lebe nun schon seit gut 4 Jahren im sonnigen Brasilien, genauer gesagt in Rio de Janeiro. Und normalerweise nutzen wir die Weihnachtszeit für einen Besuch meiner Familie in Deutschland. Doch im Januar 2016 haben wir uns bewusst entschieden, den brasilianischen Sommer zu genießen und keinen Schnee zu sehen. Dafür blieben wir aber nicht in Rio de Janeiro, sondern reisten in den Süden Brasiliens und besuchten die deutschen Kolonien – für das richtige Heimatgefühl.

Mein Reisebericht über die deutschen Kolonien im Süden Brasiliens

Gesagt, getan! Wir haben unsere Koffer gepackt und starteten unsere kleine Reise in Sao Paulo. Von dort aus ging es weiter nach Curitiba und dann mit dem Auto über Blumenau und Pomerode nach Florianopolis. Eine der deutschesten Städte außerhalb Deutschlands ist Pomerode. Diese deutsche Kolonie befindet sich in der Nähe von Blumenau, das wiederum in ganz Brasilien für sein Oktoberfest bekannt ist.

Was charakterisiert die Deutschen außerhalb ihres Landes?

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Jeder kennt mit Sicherheit ein paar dieser unschönen Vorurteile gegenüber unsere Nachbarländer. Doch greifen wir uns mal selbst an die Nase und schauen wir, wie wir Deutschen von anderen Nationen wahrgenommen werden. Ich muss sagen, hier in Brasilien ist der Umgang miteinander sehr herzlich und alle Nationen werden mit offenen Armen empfangen. Ähnlich wie in meinem Beitrag zu „Woran erkennen die Brasilianer, dass ich Deutsche bin“, geht es jetzt also um die echten deutschen Kolonien im Süden Brasiliens und wie die ihre Kultur bewahren.

1. Fachwerkhäuser und Spitzdächer gibt es auch in Brasilien!

Im Zentrum von Blumenau und Pomerode sieht man immer wieder ein paar dieser historischen Gebäude ganz nach deutscher Architektur. Allerdings wird diese oft durch moderne oder wie ich finde eher unschöne 60er Jahre Bauten unterbrochen. In Blumenau gibt es sogar ein kleines deutsches Viertel mit Restaurants, kleinen Geschäften und jeder Menge Oktoberfest Souvenirs. Dort findet in der angrenzenden Halle nämlich auch das jährliche Oktoberfest statt, allerdings feiert man hier gleich 3 Wochen am Stück. Eine Sache stört ebenfalls im Gesamtbild: die Palmen. Aber daran habe ich mich schnell gewöhnt 😉

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2. Deutsche Namen für Geschäfte und an Straßen

Schon am Eingang der deutschen Kolonien sieht man auf Schildern bekannte Namen. Viele Stadtviertel sind nach den Bundesländern oder Regionen benannt, aus denen die damaligen Deutschen kamen. Auch der Name der Stadt Pomerode kommt von Pommern. Die Geschäfte heißen bis jetzt noch so und daher gibt es auch einen Porzellan Schmidt oder auch Elektronik Koerich.

Auf den Speisekarten der deutschen Restaurants oder an einigen Beschilderungen geht man trotzdem schmunzelnd vorbei. Hier können nämlich gerne mal die Spätzle zu Spetzle oder die Brezel zur Pretzel werden. Die Aussprache wurde einfach den landestypischen Gepflogenheiten angepasst und ein „ä“ gibt es im Portugiesischen ja sowieso nicht.

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3. Das Kulturgut: Deutsche Bräuche und ein echtes Handwerk

Am erstaunlichsten waren für mich die vielen Bräuche oder auch typischen deutschen Handwerke, die es noch immer in Blumenau und Pomerode zu bestaunen gibt. Auf dem Weihnachtsmarkt stand beispielsweise eine riesige Pyramide. Auf Markplätzen gibt es Maibäume und wir hatten sogar das Glück, einen echt traditionellen Umzug aufgrund des „Festa Pomerana“, dem Sommerfest von Pomerode, mitzuerleben. Hier wurden mit viel Liebe die Wägen geschmückt und natürlich waren auch ein paar Spielmannszüge dabei. Zu solch einem Fest gehören hier auch Spiele und Wettbewerbe, wie das Holzstammsägen. Und natürlich hat sich jeder in seine Tracht geworfen und erschient in Dirndl und Lederhosen.

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Ich könnte auch behaupten, dass ich die Deutschen an ihren Häusern und Vorgärten erkenne. Ob das stimmt, weiß ich natürlich nicht. Aber hier habe ich bei vielen Häusern einen liebevoll mit Blumen gestalteten Garten gesehen. So manches Mal auch mit ein paar Hühnern. So etwas gibt es in Rio nur äußerst selten.

Eine weitere Eigenschaft unserer deutschen Mentalität: wir sprechen deutlich leiser. Und das merkt man auch im Süden Brasiliens, denn hier konnten wir uns am Tisch ganz normal unterhalten, ohne gleich schreien zu müssen.

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4. Feste feiern wie die Deutschen

Ja ganz klar, Feste feiern können die Brasilianer! Und diese süßen Sommerfeste mit Umzügen, einer Band, die zu deutschem Schlager einstimmt und jeder Menge tanzenden Südbrasilianern, sind wirklich herzlich und werden von allen geliebt. Wenn du jetzt denkst, hier gibt es Samba, dann muss ich dich leider enttäuschen. In Blumenau und Pomerode wird zu Gesellschaftstänzen und Reihentänzen getanzt und da macht auch wirklich jeder mit! Es gibt auch kleine Weihnachtsmärkte mit Verkaufsständen, die ich in Rio de Janeiro beispielsweise noch nicht gefunden habe.

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5. Eisbein, Würstchen und Sauerkraut auf der Speisekarte der Deutschen Restaurants

Was ich allerdings lustig fand, sind die deutschen Gerichte, die hier gerne gegessen werden. So gehören Eisbein, Haxe, Würste und Sauerkraut zur deutschen Leibspeise. Das wäre mir jetzt nicht gleich als Erstes in den Sinn gekommen. Aber geschmeckt hat es trotzdem, wenn auch ein wenig anders als daheim bei Oma. 😉