Heute kommt ein kleiner Beitrag zum Thema Soulfood von mir. Weniger mit hilfreichen Tipps, dafür vielmehr ein Erfahrungsbericht und ein kleiner Einblick in mein Gefühlsleben so kurz nach der Geburt.
Wie du ja bereits weißt, ist unser kleiner Arthur ein wenig zu früh auf die Welt gekommen – mit 36 Wochen und 3 Tagen. Als ich nach der Geburt wieder in unser überaus großes Zimmer gebracht wurde, in dem auch Ivan die ganze Zeit auf einer Art Gästecouch übernachten durfte, konnte Arthur leider noch nicht bei uns sein.
Die erste Nacht ohne mein Baby
Der kleine Mann hatte bei der Geburt (oder auch vorher) so viel Fruchtwasser geschluckt, dass er dieses erst einmal loswerden musste und wegen der Atmung über die Nacht noch im Zimmer mit all den Neugeborenen beobachtet wurde.
Am nächsten Tag kam er dann nach unserem eigentlich ganz leckeren Krankenhausfrühstück (naja ok, jeden Tag wäre es auch langweilig) zu uns und durfte vorerst bei uns bleiben. Er wurde dann zwar ein paar Mal für einige Untersuchungen abgeholt, aber das war für mich noch in Ordnung.
Trinken wollte er zu dem Zeitpunkt noch nicht so viel, da er noch gut satt war von all dem Fruchtwasser.
Da ich mich ganz gut gefühlt habe und eigentlich alles nach Plan verlief, sollten wir nach 2 Nächten auch entlassen werden. Am Tag der Entlassung kam vormittags noch einmal unsere Kinderärztin zu uns, die auch bei der Entbindung dabei war. Und ab diesem Moment änderte sich so einiges für mich.
Tränen für mein Kind
Ich hatte damit gerechnet, dass wir uns von ihr verabschieden, sie uns die Entlassungspapiere oder einige wichtige Dokumente für Arthur überreicht und wir dann am Nachmittag alle nach Hause dürfen. Doch leider hatte sie so ganz andere Nachrichten für uns. Ich habe auf Anhieb auch gar nicht alles verstanden.
All das medizinische Fachvokabular kenne ich auf Portugiesisch nicht. Aber was ich verstanden habe, ist, dass sie einen Platz für Arthur auf der Kinderintensivstation organisiert hat. Was? Ich konnte das gar nicht glauben und war wie versteinert. Meinem kleinen Schatz ging es doch schließlich gut und ich habe als Mama wirklich nichts Ungewöhnliches bemerkt.
Also musste Ivan kurz übersetzen und auf meine sich mittlerweile wiederholenden und beängstigten Fragen reagieren. „Arthur geht es gut und er ist nicht krank“, sagte die Ärztin. Aber wie, jetzt verstand ich noch weniger, warum wir nicht nach Hause dürfen. Ivan übersetzte, Arthur habe einen leicht erhöhten Wert und somit eine Neugeborenen-Gelbsucht. Aus diesem Grund muss er 1-2 Tage auf die Intensivstation und dort ein kleines Sonnenbad nehmen. Intensivstation?
Außerdem werden sie ihm ein bisschen Flüssigkeit zuführen, um sein Blut zu verdünnen, weil das wohl recht „dick“ war. Aber ich solle keine Angst haben, denn es geht ihm gut und es ist nur eine Maßnahme, um kein Risiko einzugehen. Wenn es jetzt Sommer in Rio wäre, würden sie ihn mit uns nach Hause schicken und wir müssen einfach nur in die Sonne. Aber egal – es ist ja Winter.
In diesem Moment gab es für mich dann auch kein Halten mehr und ich musste bitterlich anfangen zu weinen. Und ich weiß, es ist alles nicht schlimm und Arthur ist nicht krank. Aber die Vorstellung nach Hause zu gehen und mein Kind alleine im Krankenhaus (noch dazu auf der Intensivstation) zu lassen, war einfach schrecklich. Sicherlich kommen dann all die Hormone dazu, die mich noch zusätzlich emotional machen.
Aber dennoch gingen Gedanken durch meinen Kopf, wie ich das hätte verhindern können. Hätte ich mich mehr schonen können, damit er nicht zu früh kommt? Was hätte ich tun können? Habe ich nicht schon genug aufgepasst, mich gut ernährt, keinerlei Medikamente genommen und mich vor allen Moskitos in Rio geschützt während der Schwangerschaft? Was hätte ich tun können, um meinem kleinen Arthur das zu ersparen?
Ich habe ihn doch so lieb und ich möchte ihn jetzt einfach nicht alleine lassen. Er braucht doch meine Nähe, die Geborgenheit, die wir ihm schenken wollen und meine Milch. Ich war total traurig und konnte mich in den nächsten 2-3 Stunden auch nicht fangen. Arthur war zu diesem Zeitpunkt auch schon gar nicht mehr bei mir, sondern wurde nach der Abschlussuntersuchung mit der Ärztin direkt dort im Babyzimmer neben der Intensivstation behalten. Das machte es nicht wirklich erträglicher für mich, denn ich wollte ihn zu dem Zeitpunkt einfach nur im Arm halten.
Und leider durfte ich auch so schnell nicht zu ihm. Ich bin raus auf den Gang gegangen, wurde dann aber wieder zurückgeschickt. Denn noch war ich nicht entlassen und durfte nur mit dem Rollstuhl auf das andere Stockwerk zu meinem Baby.
Ivan hat alles versucht, um mich zu trösten und aufzumuntern, doch selbst das hat nicht viel geholfen. Ich musste jetzt einfach warten, hoffen und beten, dass sich seine Werte schnell bessern.
Die Zeit im Krankenhaus und auf der Intensivstation
Wir konnten glücklicherweise noch eine Nacht im Krankenhaus verlängern und ich durfte auch alle 3 Stunden mit dem Rollstuhl zu Arthur, um ihn zu stillen. Als ich ihn das erste Mal dort im beleuchteten Inkubator liegen sah, musste ich mich echt zusammenreißen. Ich habe mir immer wieder gesagt, dass es ja nicht schlimm ist und nur für maximal 2 Tage. Ich habe bewusst all meine „schlechten“ Gedanken verdrängt.
Und als ich all die anderen besorgten Mamas gesehen habe, kam auch meine Stärke (zumindest ein Teil davon) wieder zurück. Die meisten Mamas waren schon länger zu Gast auf der Intensivstation, mit unterschiedlichen Diagnosen und ähnlichen Vorgeschichten wie meiner. Und sie alle kämpfen so tapfer gemeinsam mit ihren kleinen Helden und weichen ihnen den ganzen Tag nicht von der Seite. Das hat mich ermutigt und auch daran erinnert, wie „harmlos“ meine Situation ja eigentlich ist.
Und eigentlich war die gesamte Umgebung gar nicht so neu für mich. Ich kenne all das noch von meinem Bruder, der auch einige Monate im Krankenhaus und im Inkubator verbringen musste. Und ich weiß, wie stark meine Mama damals war. Klar gab es auch Momente der Traurigkeit, aber meine Mama und auch jede andere, die ich hier in Rio gesehen habe, wurden zu starken Kämpferinnen und echten Heldinnen.
All die 30 min des Stillens, wurden zu Minuten der absoluten Zweisamkeit und wir Mamas haben jede Sekunde davon genossen, um unseren Babys Geborgenheit zu geben, Mut zuzusprechen und sie einfach ganz fest im Arm zu halten. Wir alle waren irgendwie gemeinsam für unsere Kinder da und haben uns vor ihnen keine „Schwäche“ anmerken lassen.
Wir kämpfen wie Löwinnen
Ich möchte damit allen Mamis Mut, Kraft und Stärke zusprechen, diese Zeit gemeinsam zu meistern. Ich hoffe natürlich, dass dies niemand erleben muss. Aber jede Mami ist eine Kämpferin und steht wie eine Löwin im Kampf für ihr Kind ein. Egal wie die Diagnose ausfällt und was gesagt wird, wir haben Vertrauen darin, dass alles gut wird, und schauen positiv in die Zukunft.
Dennoch war ich froh, Arthur nach 48 Stunden in der künstlichen Sonne, dann endlich mit nach Hause nehmen zu dürfen. Und ihm ging es zu jeder Zeit gut. Er hat auch keine anderen Startschwierigkeiten mit der Atmung etc., wie es einige andere Frühgeborene haben. Dafür sind wir Gott sehr dankbar. Jedes Baby ist ein absolutes Geschenk, ein Wunder und großer Segen. Und jedes Kind und auch du haben ihre eigenen einzigartigen Geschichten.